Streiks in Sachsen geplant: Viel Solidarität und Warnung vor Rechtsextremen

Als Reaktion auf Subventionskürzungen der Ampel-Koalition planen Landwirte ab dem 8. Januar bundesweit Proteste und Blockaden. In Sachsen ist die Zustimmung auch aus anderen Branchen groß.

Bundesweite Streiks und Blockaden ab 8. Januar: Seit Dezember wird der große Protest kommuniziert, auch in Sachsen. Im Vorfeld wirkt die Aktion diffus, denn die Grenzen der teilnehmenden Gewerke sind nicht klar umrissen, und man befürchtet „Trittbrettfahrer“ aus der verschwörerisch denkenden bis rechtsradikalen Ecke. Wer also macht aus welchem Antrieb was?

Den Mega-Protest angeschoben haben die Landwirte, als Reaktion auf die über eine Milliarde Euro, die die Regierung den Bauern über Agrardiesel und Kfz-Steuer abnehmen will. Ab 8. Januar wird mehrfach protestiert, das Finale soll eine Sternfahrt nach Berlin am 15. Januar bilden. Doch auch die Transportbranche, Handwerksbetriebe und die Lokführer der Gewerkschaft GdL haben den Ball aufgenommen. Just am 7. Januar endet der „Weihnachtsfrieden“, den GdL-Chef Claus Weselsky versprach. Unbefristete Warnstreiks der Lokführer würden die Lage zusätzlich verschärfen.

„Fass zum Überlaufen gebracht“

Der Leipziger Fleischermeister André Möllmer befürwortet die Proteste der Landwirte. „Neben den immensen Energiekosten haben die Entscheidungen der Bundesregierung zum Agrardiesel und der Besteuerung von Landwirten das Fass zum Überlaufen gebracht“, sagt er. Somit drohten „Erzeugerpreise, die ich nie und nimmer an meine Kunden weitergeben kann.“ Möller werde deshalb den Bauern „nach Berlin oder sonst wohin hinterherfahren“.

Der Leipziger Bäckermeister Jens Hennig sieht das ähnlich. „Der Bauernprotest ist ein Synonym für die Unzufriedenheit zahlreicher Gewerbetreibender über die zunehmende Abgabenlast.“ Kostensteigerungen und Subventionskürzungen sorgten dafür, dass sich viele Kundinnen und Kunden handwerklich gefertigte Produkte bald nicht mehr leisten könnten. Regionale Wirtschaftskreisläufe würden zerstört.

Landwirte als enge Partner

Klaus Andrae, Meister für Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik aus dem Burgenlandkreis, betont: „Gerade für Handwerksbetriebe in ländlichen Regionen sind die Landwirte enge Partner – ob als Lieferant von Nahrungsmitteln oder als Kunden.“ Andrae unterstreicht sein Verständnis für die Aktionen ebenso wie Thomas Keindorf, hallescher Handwerkskammerpräsident. „Aktuelle bundespolitische Entscheidungen werden unzweifelhaft zum Abbau von Kapazitäten der traditionellen Landwirtschaft führen, was auch das Handwerk hart treffen wird“, sagt er.

Axel Klein, Regionalbereichsleiter des Deutschen Hotel- und Gastgeberverbandes Dehoga in Sachsen, erklärt sich ebenfalls solidarisch. „Bei der Sternfahrt nach Berlin werden wir vor Ort sein und die Forderungen unterstützen – mit den Partnerverbänden beraten wir gerade, in welcher Form.“ Es gebe eine große Schnittmenge aus Landwirten, gastronomischen Betrieben und mittelständischen Unternehmen anderer Branchen. Aktuell hat die Gastronomie mit der Rückkehr zur 19-Prozent-Mehrwertsteuer auf Speisen zu kämpfen.

Zwischen Kritikern und Pöblern

Trotz aller Übereinkunft – es gibt auch warnende Stimmen. Denn der Aufstand ruft sogenannte Querdenker und Rechtsextremisten auf den Plan, wie Posts auf Facebook, Instagram und Co zeigen. Von „Revolte“ und „Revolution“ ist die Rede, die „Freien Sachsen“ rufen zum „Tag des Widerstands“ auf. „Deshalb gilt es, genau hinzusehen und nicht jeden Aufruf pauschal zu unterschreiben“, warnt der Vertreter eines sächsischen Verbandes, der namentlich nicht genannt werden möchte. „Auch bei uns gibt es Grauzonen zwischen Kritikern und Pöblern.“


Bauern in Sachsen protestieren und bekommen große Unterstützung

Das Agrar-Diesel-Aus und weitere Einsparungen bringen die Bauern auf die Straße. Zur bundesweiten Protestaktion am 8. Januar soll es auch Blockaden in Sachsen geben. Am 10. Januar ist eine Großdemo in Dresden geplant. Unterstützung bekommen die Bauern von zahlreichen Branchen.

Mit einer Protestwoche gehen Sachsens Bauern gegen die Sparpläne der Bundesregierung vor. Am 8. Januar soll sie beginnen, wie Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk der LVZ sagt. Geplant sind auch eine Demo am 10. Januar auf dem Dresdner Theaterplatz sowie eine Sternfahrt mit Traktoren nach Berlin am 15. Januar.

„Die Bauern in Sachsen fühlen sich wie die Melkkühe der Nation“, sagt Krawczyk, der selbst Landwirt ist und einen Hof in Großweitzschen (Landkreis Mittelsachsen) hat. „Die Belastungen in den Betrieben sind im vergangenen Jahr enorm angewachsen. Die Politik kürzt in der Landwirtschaft nicht erst seit den Haushaltsproblemen. Aber die uns zum Jahresanfang auferlegten Einsparungen, insbesondere beim Agrar-Diesel und der Kfz-Steuer, bringen jetzt das Fass zum Überlaufen.“

Sachsens Bauern bleiben auf ihrem Getreide sitzen

Dass die Bauern in Sachsen aufgrund der enormen Kostenexplosion nicht mehr wettbewerbsfähig seien, zeige der Fakt, dass sie auf ihrem Getreide sitzen bleiben. „Wir Bauern machen nur ein Prozent der Bevölkerung aus, tragen aber zehn Prozent der Haushaltseinsparungen. Dagegen gehen wir auf die Straße“, so Krawczyk.

Dabei können sich die Bauern einer breiten Unterstützung sicher sein. So hält Jens Hennig, Chef vom Zwenkauer Backhaus Hennig, die Proteste für richtig und wichtig. „Die Landwirte handeln weder egoistisch noch eigensinnig, auch wenn uns dies der eine oder andere einreden will.“ Der Bauernprotest sei „ein Synonym für die Unzufriedenheit zahlreicher Gewerbetreibender über die zunehmende Abgabenlast, beispielsweise aus CO2-Bepreisung oder CO2-Maut.“ Die Landwirte kämpften nicht nur für sich, „sondern für uns alle“.

Fleischer will Bauern bis nach Berlin folgen

Dieser Meinung ist auch der Leipziger Fleischermeister André Möllmer. „Ich werde die Landwirte unterstützen, ihnen nach Berlin oder sonst wohin hinterherfahren. Und ich hoffe, viele andere Handwerker werden dies auch tun.“ Zugleich kritisiert Möllmer die politischen Entscheidungen, die auch seinem Unternehmen schwer zu schaffen machten.

Stimmen dieser Art gebe es immer mehr, heißt es bei der Handwerkskammer Leipzig. „Gerade in den Lebensmittelhandwerken, die unmittelbar von künftigen Preissteigerungen in der Landwirtschaft betroffen sein werden, wachsen Unmut und Verärgerung immens an“, sagt Kammerpräsident Matthias Forßbohm. Zahlreiche Betriebe möchten den Protest unterstützen.

Er erachte es als „absolut legitim“, dass sich Betroffene selbst artikulieren möchten. „Der gegenwärtig gesetzte politische Rahmen passt mit der Lebenswirklichkeit vieler Handwerkerinnen und Handwerker einfach nicht mehr zusammen“, so Forßbohm.

Die aktuellen bundespolitischen Entscheidungen würden unzweifelhaft zum Abbau von Kapazitäten der traditionellen Landwirtschaft führen, sagt Thomas Keindorf, Präsident der Handwerkskammer Halle. Das werde auch das Handwerk in Sachsen-Anhalt hart treffen. „Ich nehme daher eine breite Zustimmung in unseren Betrieben für die Bauern wahr und ein Verständnis für ihre Aktionen.“

Baubranche und Gastronomie zeigen sich solidarisch

Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband erklärt sich solidarisch mit den Streikenden. „Bei der Sternfahrt nach Berlin werden wir vor Ort sein und die Forderungen unterstützen“, so Sachsens Dehoga-Sprecher Axel Klein.

Zustimmung kommt auch von den baugewerblichen Verbände aus Sachsen und Sachsen-Anhalt. „Wir haben in den letzten Monaten viel geredet – mit Bundespolitikern aller Couleur – alle haben sie Verständnis für unsere Situation gezeigt, unternommen aber haben sie nichts. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, unseren Unmut über die offenkundige Ignoranz dieser Bundesregierung auf die Straße zu tragen“, sagt der Vizepräsident des Sächsischen Baugewerbeverbandes, Uwe Nostitz.

„Auch wenn die Baubranche andere Sorgen umtreiben, als die Bauern – eines eint uns: Die Tatsache, dass wir uns von dieser Bundesregierung allein gelassen, vor den Kopf gestoßen und ausgenutzt fühlen“, betont der Präsident des Baugewerbe-Verbandes Sachsen-Anhalt, Peter Nitschke. Die Verbände würden sich deshalb den Bauernprotesten anschließen.

Er sei dankbar für die Solidarität mit den Bauern, sagt Sachsens Bauernpräsident Krawczyk. Leider würde man auch Zuspruch von Kräften erhalten, die dem extremen Spektrum zuzuordnen seien. „Wir sind offenbar das Ventil für einen Frust, den die Regierung in Berlin zu verantworten hat. Wir werden aber konsequent unseren Weg gehen und uns nicht vor den Karren anderer spannen lassen. Wir werden uns an die demokratischen Spielregeln halten.“